· 

Jahresbericht: Tornados in Deutschland 2024

von Leonard Corves & Hendrik Sass

(Tornadoschäden in Hagen | ©Alex Talash)



2024 war in vielerlei Hinsicht ein besonderes Tornadojahr, nicht nur in Deutschland, sondern auch international: Die USA verzeichneten eine stark überdurchschnittliche Tornadoaktivität. Bis jetzt bestätigte der National Weather Service 1780 Tornados. Das ist die zweithöchste Anzahl an Tornados innerhalb eines Jahres seit Beginn der systematischen Dokumentation. Damit rückt 2024 sogar noch vor das historische Jahr 2011, in welchem 1713 Tornados bestätigt wurden. 

 

Trotzdem blieben die Auswirkungen der Saison 2024 deutlich gemäßigter, was mit der deutlich geringeren Anzahl an verheerenden (EF4-EF5) Tornados, aber wohl auch mit den sich stetig weiter entwickelten Warnsystemen zusammenhängt. Verloren 2011 in den USA noch 553 Menschen ihr Leben, waren es 2024 nur noch 54. Besonders auffällig ist diese Entwicklung bei Betrachtung globaler Opferzahlen: Weltweit konnten im Jahr 2011 571 Todesopfer durch Tornados bestätigt werden, im Jahr 2024 waren es 91. Damit sank der Anteil an Todesfällen, die von den USA ausgemacht werden, von ~ 96,85% auf ~ 59,34%, wobei die USA damals wie heute die überwiegende Mehrheit aller global bestätigten Tornadofälle ausmachen. Zwar ist dieser Vergleich in der Hinsicht limitiert, dass die Tornados 2011 insgesamt öfter direkt Dörfer und Städte getroffen haben, doch das Fazit ist trotzdem klar: Die Weiterentwicklung der Warnsysteme wirkt sich direkt auf die Senkung der Opferzahlen aus. In Europa und Deutschland wären weitere Fortschritte auf diesem Gebiet, wie eine Aufklärung der Bevölkerung, also wünschenswert, um in Zukunft Menschenleben zu retten. 


Europa

Alle in Europa bestätigten Tornados (über Land) im Jahr 2024 | ©ESSL
Alle in Europa bestätigten Tornados (über Land) im Jahr 2024 | ©ESSL

Richten wir nun unseren Blick auf unsere Seite des Atlantiks. Die Datenbank des European Severe Storms Laboratory, kurz ESSL, listet für das Jahr 2024 in ihrem Zuständigkeitsbereich 356 Tornados auf (Wasserhosen nicht mit einbezogen). Paradoxerweise blieb trotz dieser deutlich überdurchschnittlichen Gesamtzahl die Menge an starken (IF2+) Tornados überschaubar und ungewöhnlich niedrig. Russland verzeichnete den einzigen IF3 Tornado auf dem gesamten Kontinent. Während Mitteleuropa eine sehr durchschnittliche Saison erlebte, war im Mittelmeerraum eine deutlich gesteigerte Aktivität zu beobachten. Besonders auffällig war Italien mit 82 bestätigten Tornados, was einen neuen nationalen Rekord darstellt. Grund für die ungewöhnliche Aktivität in Südeuropa waren wohl die überdurchschnittlichen Wassertemperaturen des Mittelmeers. Diese förderten die Bildung von Wasserhosen, welche dann als Tornados an Land zogen, was in dieser Region Europas ohnehin typisch ist.


Deutschland

Frühling

low-topped Superzelle bei Landsberg a. L. | ©Bram van't Veen / NLradar
low-topped Superzelle bei Landsberg a. L. | ©Bram van't Veen / NLradar

Zum ersten Tornado des Jahres kam es am 21. März im oberbayerischen Landsberg am Lech. Eine "low-topped" Superzelle produzierte einen Tornado, welcher besonders im Industriegebiet der Stadt erhebliche Schäden verursachte. Es handelte sich um den ersten Fall des Jahres, welcher von einem Teammitglied direkt vor Ort untersucht wurde. Die Vor-Ort-Dokumentation war erforderlich, da unmittelbar nach dem Ereignis trotz einer auffälligen Radarsignatur nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob tatsächlich ein Tornado aufgetreten war. Es lag lediglich ein einzelner Medienbericht vor, der sich ausschließlich auf einen Schaden im Industriegebiet bezog, der kein klares Indiz für einen Tornado war. Durch die Analyse der Schäden konnte der Tornadofall schließlich bestätigt werden. Ausschlaggebend für die Bestätigung war neben der schmalen Schadensschneise auch ein kleiner Birkenwald, in dem dutzende Birken permanent durch das Windfeld des Tornados verformt wurden, wobei sich ein eindeutig konvergentes Wirkungsmuster ergab (Bild unten links). Durch die Untersuchung konnte eine maximale Intensität von IF1 und eine Gesamtschneisenlänge von 5.2 km festgestellt werden.

(Tornadoschäden in Landsberg am Lech | ©TorKUD)


Nachdem es Ende März zu einem weiteren IF1 Tornado in Hessen kam, nahm die Saison am 04. April zum ersten mal richtig Fahrt auf. Innerhalb einer Tiefdruckgeprägten Westlage kam es über Deutschland verbreitet zu Schauern und Gewittern. Starke Windscherung ermögliche dabei die Ausbildung von Mesozyklonen und Mesowirbeln.

Tornadoschäden in Kirschenbroich | ©Stadt Korschenbroich
Tornadoschäden in Kirschenbroich | ©Stadt Korschenbroich

Zunächst entwickelte sich in NRW eine kräftige "low-topped" Superzelle, die über Mönchengladbach zog, und unmittelbar danach einen Tornado in Korschenbroich produzierte. Danach bildete sich in den Abendstunden eine Gewitterlinie, die in der Oberpfalz gleich zwei Tornados hervorbrachte. Bereits am Folgetag konnten zwei der Fälle von Teammitgliedern vor Ort untersucht werden.  Durch Korschenbroich, östlich von Mönchengladbach, zog sich eine kompakte, 5.6 km lange Schadensschneise. Verbreitet wurden Dächer abgedeckt und Bäume stürzten um. Ein Haus in der »Pescher Straße« traf es besonders schwer. Große Schäden auf beiden Dachseiten resultierten in einer IF1.5-Einstufung.

 

Ein Tornado derselben Intensität zog durch die Orte Wackersberg und Holnstein in Bayern. Neben abgedeckten Dächern schleuderte der Tornado Trümmer mit solcher Wucht durch die Luft, dass sie tief in die Fassaden umliegender Häuser eindrangen (Bilder unten links). Dieses Beispiel verdeutlicht, dass auch Tornados mit vergleichsweise geringerer Intensität nicht unterschätzt werden sollten. Ein Rückblick auf frühere Tornadoereignisse zeigt, dass herumfliegende Trümmerteile oft zu schweren Verletzungen oder sogar Todesfällen führen können. Selbst bei schwächeren Tornados können Trümmer problemlos Fensterscheiben durchschlagen und dabei Personen hinter den Scheiben schwer verletzen. Weitere markante Schäden traten kurz vor dem Ende der Schneise auf. In einem Baumbestand wurden mehrere Bäume abgeknickt und Stämme mehrere Meter auf ein angrenzendes Feld geschleudert. Einige Äste wurden dabei mit solcher Wucht in den Erdboden gerammt, dass sie senkrecht stecken blieben. Eine Baumkrone wurde sogar etwa 150 Meter weit transportiert. Ein weiterer Tornado beschädigte in Schirmitz einige Dächer und Bäume, konnte jedoch nicht mehr vor Ort untersucht werden.

(Bilder links: Schäden durch Trümmerflug in Wackersberg - ©Vifogra Bild rechts: verfrachtete Stämme bei Staufersbuch - ©TorKUD)

Am Folgetag, den 05. April, wurde eine weitere, möglicherweise noch brisantere Tornadolage in der Nordhälfte Deutschlands erwartet. Im Warmsektor eines kräftigen Tiefs über Dänemark bildeten sich im Tagesverlauf auch zahlreiche Superzellen, die aus dem Emsland heraus bis nach Polen zogen. Jedoch kam es in dessen Verlauf zu nur einem bestätigten Tornado im Mecklenburgischen Waren an der Müritz. Um diese ungleiche Entfaltung des Tornadopotentials beider Tage zu erklären, eignen sich die Daten von Wetterballons, welche von Meteorologen täglich gestartet werden.

(Beobachtete Radiosondenaufstiege vom 04.05.2024 und 05.04.2024)

 Im linken Bild ist der Radiosondenaufstieg aus Essen vom 04. April zu sehen, rechts die Daten aus Lindenberg bei Berlin vom 05. April. Beide Profile zeigen grundsätzlich günstige kinematische Bedingungen für Tornados, erkennbar an den gekrümmten Hodographen (oben rechts), die eine Winddrehung in den untersten Luftschichten anzeigen – ein klassisches Merkmal für Tornadoentstehung. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Daten aus Lindenberg zwei Hindernisse für Tornados aufweisen, die in Essen am Vortag nicht vorhanden waren. Zum einen zeigt sich eine deutlich höhere Wolkenuntergrenze (LCL AGL) von über 1000 m, und zum anderen eine schwache, aber dennoch relevante bodennahe Inversion. Diese erschwerte das freie Aufsteigen bodennaher Luft, das für die Tornadobildung essenziell ist, erheblich.



Am 15. April überquerte eine Kaltfront Deutschland. Diese hatte bereits in England einen schwachen Tornado hervorgebracht. Im Ort Vlodrop in den Niederlanden, unmittelbar vor der Deutschen Grenze, wurden nach der Kaltfrontpassage verdächtige Schäden gemeldet. Da auch im Radar ein schwacher Mesovortex erkennbar war, wurde schließlich am 21. April eine Vor-Ort-Untersuchung durchgeführt, um festzustellen, ob sich die Schadensschneise bis über die deutsche Grenze erstreckte. Das Ergebnis zeigte, dass der Tornado tatsächlich die Grenze überquerte und bis nördlich von Effeld einige Vegetationsschäden verursachte.

Abgedeckte Kirchturmspitze in Hagen | ©Alex Talash
Abgedeckte Kirchturmspitze in Hagen | ©Alex Talash

Nach den Ereignissen von Ende März bis Mitte April folgte trotz einiger Gewitterlagen eine längere Ruheepisode. In diesem Zeitraum wurden zahlreiche teils gut ausgebildete Trichterwolken gemeldet, aber keine weiteren schadensbringenden Tornados. Das änderte sich erst am 29. Mai, als Bilder von einer komplett abgedeckten Kirchturmspitze in Hagen in der Presse Aufsehen erregten. Da auch aus anderen Stadtteilen einige größere Schäden gemeldet wurden, wurde eine Radaranalyse unternommen. Schnell war offensichtlich, dass eine kleine Superzelle mit gut ausgeprägter Rotation für die Schäden verantwortlich sein musste. Aufgrund des erhärteten Tornadoverdachts wurden die Schäden am 30. Mai genauer vor Ort Untersucht. Diese Dokumentation markierte zudem den Beginn einer neuen wichtigen Analysetechnik: Zum ersten Mal setzten wir systematisch Drohnen ein, um zuverlässig Schäden an Dächern der hohen Stadtbebauung sowie in unzugänglichen Park- und Forstbereichen zu erfassen. Dadurch konnten im Stadtgebiet Schäden bis IF1.5 ermittelt werden. In einer Obstwiese knapp östlich der Stadt konnten wir zudem erstmals konvergente Feldspuren dokumentieren. Zusammen mit Videos des Ereignisses und der Ausprägung der Schneise brachten sie schließlich den Nachweis, dass es sich im Fall Hagen tatsächlich um einen Tornado gehandelt hatte.


Sommer

Der Juni begann in Deutschland unbeständig. In der ersten Monatshälfte dominierte eine festgefahrene Wetterlage mit Tiefdruck über dem Europäischen Nordmeer und Skandinavien, wodurch sich die Bundesrepublik meist in einer West- bis Nordwestströmung befand. Subtropische, Gewitterträchtige Luftmassen aus dem Mittelmeerraum konnten so Deutschland zunächst nicht erreichen, und bis auf einen schwachen IF0 Tornado in Sachsen am 02. Juni begann der meteorologische Sommer somit ausgesprochen ruhig. Doch zur Monatsmitte deutete sich eine signifikante Änderung der Großwetterlage an. Ab dem 16. Juni löste sich aus dem nördlich gelegenen Tiefdruckkomplex ein sogenanntes Cut-Off Tief bei den Britischen Inseln. Bis zum 18. Juni zog dieses Tief nach Süden in Richtung der Iberischen Halbinsel; Mitteleuropa und Deutschland befanden sich somit an seiner Vorderseite. Hinter einer langgestreckten Warmfront erreichte nun erstmals in diesem Monat eine Südwestströmung die Bundesrepublik, wodurch die Temperaturen verbreitet auf über 25°C kletterten, bei Taupunkten von bis zu 20°C.

 

Am Nachmittag des 18. Juni erstreckte sich die Warmfront schließlich von der Bretagne über Zentralbelgien und Südniedersachsen bis in den Norden von Polen. Gepaart mit der Diffluenz eines 500 hPa Jets (sog. rechter Jetausgang) fungierte sie als Ausgangspunkt einer signifikanten Gewitter- und Tornadolage. Bereits in den Morgenstunden griffen von Frankreich her kräftige Gewitter auf Rheinland-Pfalz über. Im Tagesverlauf bildeten sich mehrere Wellen an Schwergewittern, die in den Folgestunden von West nach Ost an der Warmfront entlangzogen. Besonders in Sachsen verursachte eine Superzelle schwere Schäden. Ein anfänglicher Tornadoverdacht im Ort Gröditz, wo unter anderem große Freileitungsmasten umstürzten, konnte dort jedoch nicht bestätigt werden: Die Schäden waren durch einen sehr schweren Downburst verursacht worden. Währenddessen bildeten sich in Südniedersachsen, ausgelöst durch eine kleine Randwellenstörung, erneut einige Gewitterzellen. Aufgrund lokal besonders günstiger Bedingungen nahmen diese schnell Superzellencharakter an. Zeitweise war im Dopplerradar deutliche Rotation erkennbar, und so war es nicht verwunderlich, dass bald Bildmaterial von einem gut ausgeprägten Tornado auftauchte, der augenscheinlich direkt durch das Örtchen Bockenem gezogen war. Auch in ländlicheren Gebieten sowohl weiter westlich als östlich wurden in den sozialen Medien schwere Schäden gemeldet, die schließlich am 20. Juni von uns vor Ort untersucht wurden.

(Bilder links: Tornadoschäden bei Heere; Bild rechts: Tornadoschäden bei Hohenbüchen - ©TorKUD)

Bei der Vor-Ort-Dokumentation wurden schwere Vegetationsschäden in der Nähe der Orte Hohenbüchen und Heere festgestellt, die eindeutig in Zusammenhang mit tornadischen Aktivitäten standen. Durch den gezielten Einsatz einer Drohne konnten umfassende und beeindruckende Einblicke in die Auswirkungen dieser Tornados gewonnen werden. Neben dem Tornado in Bockenem konnten durch die Untersuchung zwei weitere Tornados bestätigt werden, darunter der einzige IF2-Tornado des Jahres 2024, der nahe Heere auftrat. Ohne die Vor-Ort-Dokumentation wären insbesondere die Auswirkungen der beiden starken Tornados von Heere und Hohenbüchen weitgehend undokumentiert geblieben, da bis dahin nur wenige und oberflächliche Meldungen zu diesen Ereignissen vorlagen. Zu den Tornados vom 18.06.2024 erschien kürzlich ein umfassender Artikel, in dem detailliert auf die Dokumentation und Analyse eigegangen wird.

Bei der Vor-Ort-Dokumentation wurden schwere Vegetationsschäden in der Nähe der Orte Hohenbüchen und Heere festgestellt, die eindeutig in Zusammenhang mit tornadischen Aktivitäten standen. Durch den gezielten Einsatz einer Drohne konnten umfassende und beeindruckende Einblicke in die Auswirkungen dieser Tornados gewonnen werden. Neben dem Tornado in Bockenem konnten durch die Untersuchung zwei weitere Tornados bestätigt werden, darunter der einzige IF2-Tornado des Jahres 2024, der nahe Heere auftrat. Ohne die Vor-Ort-Dokumentation wären insbesondere die Auswirkungen der beiden starken Tornados von Heere und Hohenbüchen weitgehend undokumentiert geblieben, da bis dahin nur wenige und oberflächliche Meldungen zu diesen Ereignissen vorlagen. Zu den Tornados vom 18.06.2024 erschien kürzlich ein umfassender Artikel, in dem detailliert auf die Dokumentation und Analyse eigegangen wird.



IF0.5 Tornado bei Brackel am 21.06.2024 - | ©Anne Müller
IF0.5 Tornado bei Brackel am 21.06.2024 - | ©Anne Müller

Auch in den Tagen unmittelbar nach dem 18. Juni riss die Tornadoaktivität nicht ab, wenngleich nicht in solch einer Intensität. Am 21. Juni traten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Zuge einer weiteren dynamischen Gewitterlage zwei schwache Tornados der Stärke IF0.5 und IF1 auf, die von Zeugen gefilmt wurden. Letzterer wurde unabhängig von TorKUD ebenfalls mit einer Drohne untersucht. Bei Hohenhorn östlich von Hamburg entstanden deutlich konvergente Spuren in einem Weizenfeld. Hinzu kommen zahlreiche Verdachtsfälle: Aus Melle bei Osnabrück wurde eine scheinbar stark ausgeprägte Trichterwolke gemeldet. Trotz augenscheinlich aufgewirbeltem Staub und der Ausprägung der möglichen Trichterwolke konnte dieser Fall nicht bestätigt werden, da weder Schäden gemeldet wurden noch weitere Beobachtungen des Gebildes vorliegen, anders als man es bei einer Trichterwolke dieser Ausbildung erwarten würde. Auch in Brandenburg bildeten sich in den Nachmittagsstunden schwere Gewitter. Eine kräftige Superzelle streifte den Südosten von Berlin und verursachte entlang einer engen Schneise Schäden in Eichwalde, die bis in den IF1 Bereich reichen. Wie aus Videos hervorgeht zeige sich die Superzelle mit einer massiven, tief hängenden Wallcloud, aus dessen Bereich augenscheinlich zuvor hoch aufgewirbelte Blätter und Zweige zu Boden rieselten.

 

Unwetterfront bei Koblenz am 29. Juni | ©Leonard Corves
Unwetterfront bei Koblenz am 29. Juni | ©Leonard Corves

Bis Ende Juni hatte sich die Großwetterlage über Europa nachhaltig umgestellt. Durch dominierenden Tiefdruck über den Britischen Inseln und der Biskaya bis in den Raum der Iberischen Halbinsel gelangte Deutschland nun immer wieder unter den Einfluss dynamischer Südwestlagen. Die Folge waren zahlreiche Schwergewitterlagen über dem gesamten Bundesgebiet. Erwähnenswert ist hier etwa der 29. Juni, als sich über Ostfrankreich ein großes MCS ausbildete und nach Deutschland zog. Über die Nacht und bis in den Vormittag des 30. Juni bewegte es sich quer über Deutschland und zog schließlich über die Ostesee ab. Eine vorlaufende Superzelle produzierte dabei um 02:25 am 30. Juni bei Zirtow in Mecklenburg-Vorpommern einen IF1 Tornado. Am 09. Juli zogen starke und langlebige Superzellen von Nordfrankreich über die BeNeLux-Staaten teils bis nach Niedersachsen. Dabei produzierten sie neben größerem Hagel auch schwere Downbursts bis in den IF2 Bereich.

 

Am 27. Juni wurden verbreitet mögliche Trichterwolken gemeldet. Einer der Verdachtsfälle stellte sich tatsächlich als Tornado heraus: Dieser trat bei Leupoldsdorf in Bayern auf und konnte durch Videoaufnahmen bestätigt werden. Erwähnenswert hierbei ist, dass der Ort mitten im Fichtelgebirge liegt, also in einem Terrain, was eher selten von Tornados getroffen wird.

 

Der nächste schadensträchtige Tornado trat am 01. Juli in Sielow, einem Vorort von Cottbus auf. Zwar wurde wegen der großen Distanz für alle Teammitglieder auf eine Vor-Ort-Untersuchung verzichtet, doch in Zusammenarbeit mit Anwohnern und lokalen Behörden konnten zahlreiche Medien zusammengetragen werden, die eine genaue Analyse des Ereignisses zuließen. Die mit 6.2 km recht lange, aber enge Schneise mit einer maximalen Breite von 90 Metern sowie konvergente Feldspuren und ein Video, welches einige Tage nach dem Tornado auftauchte, konnten zweifelsfrei bestätigen, dass die teils erheblichen Schäden von einem IF1.5-Tornado verursacht wurden.

(Bild links: Erhebliche Schäden in Sielow - ©Blaulichreport Lausitz Bild rechts: Konvergente Feldspuren westl. von Sielow - ©Maximilian Seel)



Am 04. Juli stand schließlich die nächste Vor-Ort-Dokumentation im Oberrheingraben an. Am Tag zuvor war dort durch einen einzigen Zeugen ein Tornado auf Fotos und Videos festgehalten worden. Bei Phillipsburg zog der Tornado wenige hundert Meter neben dem dortigen Atomkraftwerk über einige Wälder und Felder, wobei nur leichte Schäden entstanden (bis IF0.5).

 

Wie schon in den Jahre zuvor blieb die Nordhälfte von Nordrhein-Westfalen nicht von Tornados verschont. Bereits 2022 produzierte in Ostwestfalen eine zyklische Superzelle u. a. starke Tornados in Lippstadt und Paderborn, wodurch es zu Schäden in im dreistelligen Millionenbereich kam. Im Februar 2023 kam es in der Region zu einem signifikanten Tornado bei Preußisch Oldendorf. Am 12. Juli diesen Jahres traf es die Region erneut: Während einer bundesweiten Unwetterlage ereignete sich ein lokaler Tornadoausbruch im Münsterland.

Tornado in Telgte | ©Emily Brügma
Tornado in Telgte | ©Emily Brügma

Zunächst sorgte ein beeindruckendes Video aus der Kleinstadt Telgte für Aufsehen, das einen Tornado zeigte, der große Dachteile durch die Luft wirbelte. Aus anderen Orten der Region wurden ebenfalls Schäden gemeldet, während ein weiterer Tornado bei Marienfeld auf Kamera festgehalten wurde. Aus diesem Grund wurde am 14. Juli eine Vor-Ort-Untersuchung unternommen, in der an einem Tag durch ein Teammitglied gleich vier Tornadofälle vollumfänglich untersucht werden konnten, einschließlich eines Verdachtsfalls, der durch die Untersuchung als Tornado bestätigt werden konnte. Der erste Tornado des Tages bildete sich um 15:28 MESZ nordwestlich von Sendenhorst. Glücklicherweise zog er auf seiner 4.2 Kilometer langen Bahn größtenteils über unbebautes Gebiet. Nur zwei Gebäude zu Beginn der Schneise trugen Sachschäden davon. Sehr interessant waren die in Summe kilometerlangen Feldspuren, die der Tornado hinterließ. Bei der Analyse des Tornados von Telgte, welcher nur knapp 20 Minuten später auftrat, konnten ebenfalls äußerst ausgeprägte Feldspuren aus der Drohnensicht dokumentiert werden. Dieser Tornado verursachte besonders im Nordwesten der Stadt Sachschäden in Millionenhöhe. In einem Gewerbegebiet wurden einige Dächer großflächig abgedeckt und zahlreiche Metallcontainer stürzten um oder wurden teils weitreichend verfrachtet. Etwa zur gleichen Zeit wütete ein weiterer Tornado auf einer Strecke von über 8 Kilometern westlich von Gütersloh und verursachte dabei schwere Vegetationsschäden sowie ausgeprägte Feldspuren. Auf einem Acker kam es augenscheinlich sogar zu einer leichter Bodenerosion: Die unbewachsene Erde wurde dabei in einer schmalen Schneise "aufgewühlt", wobei sich ein zykloides Wirkungsmuster ergab (Bild unten links). Durch die umfangreichen Schäden erhielten alle drei Tornados eine Einstufung im IF1.5-Bereich.

(Bild links: Abgedecktes Stalldach in Telgte | Bilder rechts: Forstschäden und Bodenerosion bei Marienfeld -  ©TorKUD)

In Dissen am Teutoburger Wald kam es an diesem Tag ebenfalls zu verdächtigen Schäden. Wenngleich der Fall aus Zeitgründen nicht mehr ausgiebig untersucht werden konnte, brachte der Einsatz der Drohne dennoch Gewissheit: In Weizenfeldern am Ortsrand hinterließ das Ereignis charakteristische Feldspuren, die sich nur durch einen Tornado erklären lassen. Die im weiteren Verlauf beobachteten Schäden an Dächern reichten bis in den IF1-Bereich. Auch aus anderen Orten, etwa Preußisch Oldendorf, wurden auffällige Schäden gemeldet, die jedoch nicht mehr vor Ort Untersucht werden konnten. 



Nach den Ereignissen Mitte Juli beruhigte sich die Saison zunächst. Nur vereinzelt wurden Tornados gemeldet, wie im Brandenburgischen Wünsdorf, wo am 21. Juli Schäden bis in den IF1-Bereich auftraten. Im Nordseeumfeld begann währenddessen die Saison der Wasserhosen. Ende Juli und Anfang August zogen dabei auch mehrere Wasserhosen auf Land, unter anderem auf Föhr und Borkum. Da es kaum Schäden gab, flossen diese Fälle als unbewertete Tornados (IFU) in die Statistik ein. Eine besonders starke Wasserhose jedoch bildete sich am Nachmittag des 04. August vor Rügen und zog anschließend auf die Insel. In einer 3.4 km langen Schneise verursachte der Tornado bei Lieschow einige Vegetationsschäden, die mit IF1 bewertet wurden. Im Radar zeigte sich dabei eine ausgeprägte Rotation innerhalb des auslösenden Gewitters. Nur wenige Stunden später zog erneut eine Superzelle über die Ostsee, wieder mit Kurs auf Rügen. Auf Fotos ist eine deutlich mesozyklonische Struktur zu erkennen, als das Gewitter vor Dranske eine gut ausgeprägte und fotogene Wasserhose produzierte. Wegen des Organisationsgrades ist davon auszugehen, dass auch dieser Fall mit erhöhtem Schadenspotential verbunden gewesen sein könnte. Anders als ihr Vorgänger zog diese Wasserhose jedoch nicht an Land, konnte ihr Potential glücklicherweise also nicht entfalten.

(Bild links: Radarbild während dem Tornado - ©NLRadar Bild rechts: Tornadoschäden in Lieschow - ©Freiwillige Feuerwehr Ummanz)

Vorhersagesounding des ICON-D2 Modells vom 23. August. Erkennbar ist die starke bodennahe Inversion
Vorhersagesounding des ICON-D2 Modells vom 23. August. Erkennbar ist die starke bodennahe Inversion

Am Abend des 24. August griffen von Westen her kräftige Gewitter auf Deutschland über. In den Tagen zuvor schien es zunächst so, als würde besonders den Niederlanden und dem Nordwesten von Deutschland damit auch eine brisante Tornadolage bevorstehen. Doch am Vortag deuteten die Modelle zunehmend an, dass das Tornadopotential durch eine kräftige bodennahe Inversion nicht ausgeschöpft werden könnte. Dies scheint in Deutschland bei Gewitterlagen ein klassischer Faktor bei der Unterdrückung des Tornadopotentials zu sein, welcher allerdings häufig von den Vorhersagemodellen nicht korrekt berechnet werden kann. Wie bereits erwähnt war dies etwa auch am 05. April der Fall. Im Vorfeld des 24. August gelang es den Modellen erst sehr kurzfristig, diesen hemmenden Faktor mit einzuberechnen. Die im frühen Verlauf des Tages mancherorts entstanden Schäden ließen sich oftmals auf Gewitterfallböen zurückführen. Auf Spiekeroog wurden beim Überzug der Gewitter Orkanböen mit bis zu 128 km/h gemessen. In den Niederlanden kam es verbreitet zu Schäden, Dächer wurden abgedeckt und Bäume stürzten um. Bei Eindhoven wurden durch den Wind sogar Autos verschoben. Im Grenzbereich Deutschland-Niederlande wurden zudem mehrere kräftige Wirbel gemeldet, die fälschlicherweise als Tornados identifiziert wurden. Erst in den Folgetagen wurde klar, dass es sich tatsächlich um sogenannte Böenfrontwirbel gehandelt hatte.

Im weiteren Verlauf kam es jedoch zu Veränderungen in der Atmosphäre, die zunehmend die Inversion als Hindernis überspielten. Welche Vorgänge sich dabei genau abspielten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage in Deutschland kaum nachzuvollziehen. Es ist jedoch naheliegend, dass etwa die Tageszyklische Verstärkung des Jetstreams in niedrigen Luftschichten dabei eine Rolle einnahm. So kam es gegen 19:30 und 21:45 zu zwei Tornados in Dänemark. Vom letzteren Fall existiert sogar ein Video, in dem die Trichterwolke im Licht der Gewitterblitze zu sehen ist. Auch in Deutschland kam es am Abend zu Tornados.

 

Gegen 21:50 erfasste eine deutlich rotierende Gewitterzelle das Sauerland. Aus der Stadt Attendorn wurden kurz danach teils schwere Schäden gemeldet, weswegen schon am Tag darauf eine Vor-Ort-Untersuchung durchgeführt wurde. Durch eine etwa 4 km lange Schadensschneise, die sich klar durch rechtwinklige Fallrichtungen abgrenzen lässt, sowie auf Drohnenaufnahmen erkennbaren Feldspuren, ergab sich das klassische Schadensbild eines Tornados. Die größten Schäden konnten im Norden von Attendorn dokumentiert werden, wo bei zwei Häusern das Dach samt Teilen des Dachstuhls flächig abgedeckt wurde. Zeitgleich wurden auch aus anderen Orten in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein verdächtige Schäden gemeldet, die womöglich durch Tornados entstanden sind. Bei Marne konnte eine Überwachungskamera sogar einen gut ausgeprägten Bodenwirbel filmen. Ob es sich in diesen Fällen allerdings tatsächlich um Tornados handelte, konnte nicht abschließend geklärt werden.

(Schwere Schäden durch einen Tornado in Attendorn -  ©Feuerwehr Attendorn)


Herbst

Mit Beginn des meteorologischen Herbst klingt auch die Tornadosaison in Deutschland langsam aus. Typisch für den September sind vor allem Wasserhosen über Nord- und Ostsee, von denen auch 2024 wieder einige dokumentiert wurden. Die Bedingungen sind zu dieser Jahreszeit am besten, da die Wassertemperaturen unmittelbar nach dem Hochsommer am höchsten sind, während die Luftmassen über Mitteleuropa schon abkühlen. In der Umgebung von Schauerwolken entstehen über dem Meer oft bodennahe Konvergenzen, in denen die Luft dann effizient gehoben und in Rotation gebracht werden kann.

 

Tornado bei Hochmoor ©Tobias Markowiak
Tornado bei Hochmoor ©Tobias Markowiak

Am 25. September tauchten unerwartet Fotos und Videos von mehreren gut ausgeprägten, fotogenen Tornados aus NRW in den sozialen Medien auf. Unbemerkt von den Vorhersagen traten in der Region günstige Bedingungen für "low-topped" Superzellen auf. Diesen Zellen steht kaum Instabilität zur Verfügung, weswegen sie nur eine geringe vertikale Ausdehnung erreichen und in ihrem Verlauf meist kaum oder sogar gar nicht blitzen. Dadurch sind sie auch im Radar auf den ersten Blick schwieriger zu erkennen. Erst bei Betrachtung der Dopplerdaten zeigt sich klare Rotation innerhalb dieser Zellen. Zwar sind sie wegen mangelnder Instabilität nicht stark, doch durch äußerst günstige kinematische Bedingungen können sie trotzdem in teils starke Rotation versetzt werden und Tornados produzieren. Tornados dieser Art sind in Deutschland keinesfalls selten: Der IF2 Tornado von Urexweiler im November 2022 beispielsweise wurde ebenfalls von einer low-topped Superzelle produziert.

 

Nachdem alle verfügbaren Informationen zusammengetragen waren, wurden sowohl am 27. als auch am 28. September Vor-Ort-Untersuchungen durchgeführt. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass diese Tornados zu den langlebigsten des Jahres gehörten. Knapp östlich von Münster erreichte ein IF1.5 Tornado eine Spurlänge von 8.2 Kilometern. Beim etwas schwächeren Tornado in Rheinbach-Borth konnten sogar Schäden auf bis zu 14 Kilometern Länge festgestellt werden. Letzterer wurde zudem außergewöhnlich gut durch Anwohner dokumentiert. Auf zahlreichen Fotos ist eine kleinräumige Mesozyklone samt tief hängender Wallcloud und Trichterwolke zu sehen (s. Bericht zum Tornado auf Tornadoliste.de).  Im Bereich Wallach bildete sich sogar fast ein zweiter Tornado, der durch die selbe Zelle ausgelöst wurde und parallel zum bereits bestehenden Tornado zog. In diesem Fall konnte ein Bodenkontakt der dokumentierten Trichterwolke jedoch nicht bestätigt werden.

(Bilder links: Tornado und dessen Auswirkungen bei Handorf - ©Unwettermeldungen (Facebook) ©TorKUD | Bild rechts: Feldspur bei Rheinbach-Borth - ©TorKUD)

Übersicht zu den beiden Tornadoschneisen 2024 östl. von Münster
Übersicht zu den beiden Tornadoschneisen 2024 östl. von Münster

Der Tornado von Handorf war schon der zweite Tornado des Jahres, der unmittelbar östlich von Münster auftrat. Nordwestlich von Telgte löste er sich auf, kurz bevor er die Schneise des Tornados vom 12. Juli gekreuzt hätte. Dass Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Vergleich besonders viele Tornados zu verzeichnen scheint, ist kein Trugschluss. Mit zehn Tornados im Jahr 2024 ist das Bundesland Spitzenreiter in Deutschland. Nur Niedersachsen erreichte vergleichbare Zahlen und landete mit acht Tornados auf dem zweiten Platz. Im Jahr 2023 gab es ein ähnliches Bild, als Nordrhein-Westfalen mit neun Fällen die meisten Tornados verzeichnete. Zuletzt im Jahr 2021 lag Nordrhein-Westfalen nicht an der Spitze der Tornadostatistik, sondern Niedersachsen. Die Gründe für diese recht ungleiche Verteilung in Deutschland dürften vielfältig sein, sind aber nicht eindeutig geklärt. Einer der Hauptfaktoren jedoch könnte die Bevölkerungsdichte und die damit verbundene geringere Dunkelziffer sein. Mit über 18 Millionen Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen das Bevölkerungsreichste Bundesland. Ein großer Teil der Tornadodokumentation in Deutschland beruht auf primären Meldungen von Anwohnern und lokalen Behörden. Es ist davon auszugehen, dass in Nordrhein-Westfalen ein größerer Prozentsatz der tatsächlich auftretenden Tornados gemeldet wird als etwa in den ostdeutschen Bundesländern, wo die Bevölkerungsdichte deutlich niedriger ist.

 

Dennoch könnten auch oftmals günstigen kinematischen Bedingungen ein möglicher Faktor für die gehäufte Tornadoaktivität im Westen des Bundesgebiets. Durch die geographische Lage ist Nordrhein-Westfalen gleichermaßen häufig betroffen von sommerlichen Gewitterlagen, ausgeprägten Kaltfronten und milden, maritimen Westlagen, auf dessen Konto die meisten Tornados in Deutschland gehen. So wird Süddeutschland beispielsweise weniger häufig von ausgeprägten Kaltfronten erfasst und Schauer und Gewitter aus dynamischen Westlagen erreichen seltener die östlichen Bundesländer. Dieses Muster spiegelte sich auch 2024 wieder: Der Tornado von Effeld beispielsweise war ein klassischer Kaltfronttornado, welcher innerhalb einer Schauer- und Gewitterlinie entstand. Der Fall Korschenbroich resultierte aus einer atlantisch geprägten Westlage, wohingegen die drei Tornados in Südniedersachsen am 18. Juni auf eine charakteristische Südwestströmung zurückzuführen sind. So kommt es, dass nach derzeitigem Kenntnisstand Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen die Bundesländer mit der höchsten Tornadoaktivität sind. Besonders in der Nordhälfte von Nordrhein-Westfalen kam es in den letzten Jahren gehäuft zu signifikanten Tornadoereignissen. Die Grafik veranschaulicht die insgesamt 18 bestätigten Fälle in dieser Region seit 2020.

(Kartierung aller bestätigten Tornados in der Nordhälfte von NRW aus den Jahren 2020-2023 (Grau) und 2024 (Grün))



Ab Oktober und November stellte sich die Großwetterlage über Europa deutlich um. Fortan waren kräftige Hochdruckgebiete über Mitteleuropa und den Britischen Inseln für Deutschland wetterbestimmend. Merkbar machte sich das zunächst durch Inversionswetterlagen mit dichten Hochnebeldecken, die teils tagelang anhielten. Dadurch wurde nicht nur Sonnenschein zu einer Rarität - auch die Tornadosaison in Deutschland nahm ein frühes Ende, denn nach dem 25. September trat kein bestätigter Tornado mehr im Land auf. Ein deutlicher Kontrast zu den vorherigen Jahren: Im letzten Quartal der Jahre 2022 und 2023 kam es noch zu signifikanten Tornadoereignissen, beispielsweise im November 2022 in Urexweiler und im Dezember 2023 in Köln. Im Dezember nahm der Einfluss von Tiefdruckgebieten wieder zu und am 19. Dezember zog eine kräftige Kaltfront über Deutschland, wobei in Hessen in Verbindung mit Mesowirbeln Schäden auftraten. Eine Untersuchung dieser Ereignisse war jedoch nicht möglich. 

Insgesamt endete die Saison 2024 in Deutschland mit 37 bestätigten Tornados (Wasserhosen nicht mitgezählt). Damit fällt das Jahr in den erwartbaren Mittelwert, der sich aus der Datenreihe seit Ende der 1990er Jahre zusammensetzt. Die Stärkenverteilung war trotzdem unterdurchschnittlich: Nur ein starker Tornado (IF2) konnte dokumentiert werden, wobei im Durchschnitt etwa 3 bis 5 Tornados dieser Intensität jährlich erwartet werden.

Insgesamt endete die Saison 2024 in Deutschland mit 37 bestätigten Tornados (Wasserhosen nicht mitgezählt). Damit fällt das Jahr in den erwartbaren Mittelwert, der sich aus der Datenreihe seit Ende der 1990er Jahre zusammensetzt. Die Stärkenverteilung war trotzdem unterdurchschnittlich: Nur ein starker Tornado (IF2) konnte dokumentiert werden, wobei im Durchschnitt etwa 3 bis 5 Tornados dieser Intensität jährlich erwartet werden.


Für uns war 2024 ebenfalls ein sehr ereignisreiches Jahr. Es begann mit der Umbenennung der Website: Seit der Gründung im Jahr 2020 lautete die Domain «tornadomap.org». Die Änderung zu «TorKUD», was für «Tornado Kartierung und Untersuchung in Deutschland» steht, erfolgte bereits im Frühjahrt. Zeitgleich wurde die Website großzügig überarbeitet und erhielt ein neues Design. Außerdem wuchs das Team, was die Vor-Ort-Dokumentation vieler Tornados erst möglich machte.

 

Seit der Gründung im Jahr 2020 steigt der Anteil der detailliert untersuchten Fälle im Verhältnis zur Gesamtzahl kontinuierlich. Im Jahr 2024 konnten bereits fast ein Viertel aller Fälle, also insgesamt 27 Fälle, umfassend untersucht werden. Besonders markant ist der deutliche Anstieg der Vor-Ort-Dokumentationen: Während in den Vorjahren jeweils nur eine solche Untersuchung durchgeführt wurde, waren es 2024 bereits 17 – das entspricht 16 % aller Tornado(verdachts)fälle in diesem Jahr. Unser Ziel ist es, diesen positiven Trend in den kommenden Jahren fortzusetzen und die Qualität der Tornadodokumentation in Deutschland weiter zu verbessern.

 



 

Insgesamt legten wir im Jahr 2024 deutlich über 5000 Kilometer zurück und haben tausende Fotos von Schäden aufgenommen. Das gesamte Jahr lang wurden bei Vor-Ort-Dokumentationen systematisch Luftbilder erstellt und im Nachgang ausgewertet, um Tornadofälle bestmöglich zu analysieren sowie die entstandenen Schäden präzise vermessen zu können. Dazu wurden Drohnen beschafft, die zunächst nur punktuell zum Einsatz kamen, zum Beispiel bei dem Tornado in Köln im Dezember des Vorjahres, oder in Effeld im April. Bei der Untersuchung des Tornados in Hagen im Mai wurde die Drohne erstmals systematisch eingesetzt, um unzugängliche Bereiche in- und außerhalb der Stadt dokumentieren zu können. Die Drohne erleichterte die Erfassung der Schäden an Dächern der hohen Stadtbebauung und konnte gleichzeitig die Untersuchung deutlich zeiteffizienter gestalten. Bei der Analyse erwies sich der Einsatz einer Drohne schließlich als so hilfreich, dass auch bei allen nachfolgenden Untersuchungen auf diese Methode zurückgegriffen wurde und Drohnen auch in Zukunft als zentrales Werkzeug bei unseren Vor-Ort-Untersuchungen dienen werden. Zudem übernahmen wir erstmals das ganze Jahr über die neue Internationale Fujita (IF) Skala. Diese wurde Mitte 2023 durch das ESSL veröffentlich und ermöglichte durch die detaillierte Aufschlüsselung der Schadensindikatoren eine noch zuverlässigere Kategorisierung der Tornados nach Intensität.

Im vergangenen Jahr verursachte unser Projekt Kosten von mehreren hundert Euro, von denen fast die Hälfte durch großzügige Spenden gedeckt wurde – ein herzliches Dankeschön an alle, die uns auf diese Weise unterstützen! Ebenso sind wir all jenen dankbar, die uns ihr Bild- und Videomaterial für unsere Analysen zur Verfügung stellen, sowie allen Besuchern unserer Website, die sich für unsere Arbeit und Beiträge interessieren. Wir hoffen, auch in 2025 neue Menschen zu erreichen und weiter zur Aufklärung über Tornados in Deutschland sowie zu deren Dokumentation beitragen zu können.

TorKUD.de

Tornado Kartierung & Untersuchung
in Deutschland


2€
5,49€ von 287,88€

Created my free logo at LogoMakr.com